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9783708808284 - 10.000 Schritte in München
Die Umgestaltete: Eine Tour aus »10.000 Schritte in München«

Vom Ungererbad zum Ackermannbogen

Anmerkung: Bei der hier dargestellten Tour handelt es sich um eine gekürzte Version der »Umgestalteten« aus »10.000 Schritte in München« von Synthia Demetriou und Tobias Röckl. Die vollständige, ungekürzte Tour finden Sie im Buch ab Seite 12.

Die Umgestaltete windet sich einmal quer durchs nördliche Schwabing.

Die U6 bringt uns zum Nordfriedhof, wo wir dem Mittleren Ring sofort den Rücken zukehren und die Ungererstraße wenige Hundert Meter Richtung Soxhletstraße hinuntergehen. Nach dem Überqueren biegen wir rechts in den Weg ein, der uns direkt zum Eingang des Ungererbads führt. Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es hier ein Naturbad, das nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs in seiner markanten Schlichtheit neu gebaut wurde. Die großzügige Liegewiese hat so viel Baumbestand, dass sie gerade im Sommer mit der anschließenden Parkanlage rund um den Schwabinger See zu verschmelzen scheint.
Bevor allerdings in den 1980er-Jahren der Schwabinger See und drumherum eine Wohnanlage arrangiert wurden, war hier der Güterbahnhof München-Schwabing, von dem aus unter anderem das Heizkraftwerk des Schwabinger Krankenhauses mit Kohle beliefert wurde. Statt Güterzügen hören wir heute nur das leise Wasserrauschen des den See speisenden Nymphenburg-Biedersteiner Kanals.

Während wir die kleine Brücke über den Kanal nehmen, haben wir einen schönen Blick darauf, wie man in den 1980er-Jahren gebaut hat. Unmittelbar nach der Brücke biegen wir rechts ab und wandern durch die Unterführung der Wohnanlage den schnurgeraden Kanal entlang bis zur Berliner Straße. Dort, wo früher der Großmarkt Metro stand, erwartet uns jetzt eins der modernsten Quartiere Münchens, das sich – quasi flirtend mit der Stadtgeschichte – „Schwabinger Tor“ nennt. Eine superurbane durchgestylte Shopping-Office-Living-Szenerie. Vielleicht werfen wir ein paar Blicke auf diese Architektur, bevor unser Weg weiter über die Trambahngleise und dann geradeaus führt.
Hier hat die Leopoldstraße nichts Prächtiges. Sie ist eine dieser gewöhnlichen mehrspurigen Großstadtstraßen. Akzeptieren wir sie für ein paar Minuten auf unserem Weg nach Norden, überqueren wir sie auf Höhe der Wilhelm-Hertz-Straße, um auf der anderen Seite angekommen wieder auf den bereits genannten Nymphenburg-Biedersteiner Kanal zu treffen. Allmählich bemerken wir ein Hinübergleiten ins Grüne. Unsere Augen halten Ausschau nach einer kleinen Kiesbank links im Wasser. Dort stehen zwei Paar Stiefel. Das ist Kunst und schon mal ein schöner Auftakt für den gleich wahrlich „Kunst-vollen“ Petuelpark.

Der Petuelpark ist eine gelungen gestaltete Überdeckelung des Petueltunnels, eines Teils des Mittleren Rings. Wir spazieren genüsslich Richtung Westen und sind dabei völlig unbelastet von den sich darunter schleppenden Autos. Mit einer schönen Perspektive auf den Olympiaturm und den sogenannten Vierzylinder von BMW finden wir links von uns moderne Hochhäuser, rechts eine Kleingartensiedlung und auf unserem Weg immer wieder überraschende architektonische Kunst.
Gegen Ende des Petuelparks scheren wir uns nicht, ob wir den linken oder rechten Weg nehmen, denn so oder so ist es fast schade, als wir die große Kreuzung an der Knorr- bzw. Belgradstraße erreichen und wir aus unserem kurzweiligen Flanieren gerissen werden. Schnell wieder weiter, hinüber ins nächste Grün! Gleich schräg links, auf der anderen Seite der Kreuzung, finden wir Abhilfe: den Luitpoldpark.

Wir betreten den Park von seiner jüngeren, nördlichen Seite über die Ecke Belgradstraße/Petuelring, die das charakteristisch Symmetrisch-Herrschaftliche noch vermissen lässt. Ein schmaler Schotterweg führt uns diagonal hinein, wir erkennen hinter einer Drahtumzäunung eine große Wiese und mehrere Schwimmbecken: Das Bad Georgenschwaige, für das es nach einem Brand im Jahre 2021 Pläne gibt, es in ein modernes Naturbad umzuwandeln. Wir gehen weiter am Gelände entlang, und allmählich öffnet sich der Blick auf einen mächtigen Hügel, den Schuttberg. Der Luitpoldpark als solcher wurde vor über 100 Jahren geplant und von Menschenhand angelegt. Dieser Berg aber da vor uns, das ist das kriegszerstörte München. All die durch Bombardements im Zweiten Weltkrieg zerstörten Massen, die dem Wiederaufbau Platz machen und aus der Stadt geschafft werden mussten. Schutt. Berg.
Wir spazieren ganz nah an der linken Seite des Berges, bis uns auf dem Weg rechter Hand ein in die Jahre gekommenes Fußgängerwegschild eine schmale Serpentinenspur nach oben anzeigt. Nach einigen engen Kehren erreichen wir über wenige grobe Stufen das Trümmerkreuz. Von hier an gehen wir bergab. Wir halten uns dabei immer links und entdecken bald im Flachen einen großen Spielplatz und daneben das Heckenlabyrinth, das uns je nach jahreszeitlicher Beblätterung mehr oder weniger verzweifeln lässt. Viel Glück!

 

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Ab dem Bamberger Haus zeigt der Luitpoldpark seine eigentliche Herkunft: symmetrische Grundrisse, Baumalleen, kurzer Rasen, Ehrenobelisk. Jenseits der Karl-Theodor-Straße im Bayernpark geht es noch einmal ähnlich weiter, vielleicht etwas weniger herrschaftlich. Häuser werden sichtbarer, und spätestens, als wir an der Grundschule am Bayernplatz rechts in die Clemensstraße abbiegen, spüren wir wieder deutlich die Stadt mit all ihren Häusern, dem Verkehr und ihrer durch die Jahrzehnte zusammengewürfelten Bebauung.

Nach Überqueren der Schleißheimer Straße geht es so noch eine Weile weiter, bis wir am Ende der Saarstraße in die Grünanlage am Ackermannbogen eintreten. Und sofort sind wir überrascht von diesem recht gleichwertigen Mix aus zugänglicher Natur und modern-urbanen Wohn- und Bürogebäuden. Das seit 2002 erschlossene, ursprünglich militärisch genutzte Areal, sukzessive zum Stadtquartier ausgebaut, hat mittlerweile eine sympathische eigenständige Patina. Wir durchqueren diese Szenerie und biegen am Stadtplatz links ab in die Petra-Kelly-Straße.

Während wir auf Bus oder Tram warten, lassen wir an der Haltestelle Barbarastraße die Umgestaltete noch mal Revue passieren. Sie, die sich einmal quer durchs nordwestliche Schwabing windet. Mit Altem und Neuem, dem noch Guten und den ganz neuen Stücken.