Die Bernsteinstraße, auch Weiße Straße genannt, war eine außeralpine Verkehrsader des römischen Imperiums. Auf ihr wurden Truppen an die Donau verlegt und der Handel mit den Barbaren abgewickelt. Die Straße war schon alt, als sie im 1. Jahrhundert n. Chr. ihre Hochblüte erlebte.
Wie nennen wir sie denn? Nord-Süd-Fernstraße? Reichsstraße Aquileia-Carnuntum? Transeuropeana? Die ca. 1.700 km lange Handelsstraße zwischen Ostsee und Adria hatte schlicht keinen Namen. Ich vermute, die Bernsteinroute war für ihre Zeitgenossen einfach »die Straße« oder die »Pannonische«. Jedem war ungefähr klar, auf welchem Weg eine Ladung Roh-Bernstein aus dem Norden herunterkam. Bernstein war das Luxusgut der Eliten. Homer besang in der Odyssee ein königliches Halsband: »Golden, besetzt mit Elektron, der strahlenden Sonne vergleichbar!«
Die Farbe des Weges
Nicht Porzellan – Bernstein war der Premiumartikel im römischen Supermarkt. Nach dem fossilen Harz gelüstete es der Bäuerin genauso wie dem Patrizier. Dennoch ist die Bernsteinstraße in der Überlieferung der weiße Weg und nicht der goldene. Daran ist auch die Geologie schuld. Die ältesten Gesteine im Untergrund des Burgenlandes sind zwar Granitgneise und Glimmerschiefer. Wird eine Straße gebaut, stößt man aber auf den hellen Leithakalk, der im Tertiär abgelagert wurde.
Wie kam es zum Namen Weißweg?
Die mit hellem Gestein geschotterte Marschier- und Fahrstraße erweckte bei den Anrainern den Eindruck einer blanken, weil graslosen, weißen Linie inmitten der Braun- und Grün-Töne von Weingärten, Wiesen und Weiden. Der ursprünglich für den römischen Kaiser Constantinus II. in den Jahren 350–360 n. Chr. errichtete Triumphbogen bei Carnuntum ließ die Menschen im Mittelalter ratlos zurück. Was war das? Ein Tor? Ein Selbstbedienungs-Steinbruch? Teufelswerk? Ein Dominikaner-Mönch verfasste im 13. Jahrhundert eine frühe »Beschreibung deutscher Länder«. Er hielt das damals vielleicht noch auf vier Pfeilern ruhende Tonnengewölbe inmitten der flachen Landschaft für ein Mausoleum des Riesen Theutos. Das Heidentor steht im Zwickel zweier Verkehrswege: der Heeresstraße am Donau-Limes, die in Ost-West-Richtung verläuft, und der großen Nord-Süd-Passage, der Bernsteinroute. Traditionell wird alles Römische für heidnisch gehalten und so genannt. Ironischerweise ist das Heidentor ein Symbol des triumphierenden Christentums. Constantinus II. verbot 354 n. Chr. alle anderen Kulte. Weihesteine und Altäre der nunmehr »heidnischen« Religionen wurden im Heidentor verbaut.
Nördlich von Winden am See und in Neckenmarkt findet man im Franziszeischen Kataster aus dem Jahr 1856 den Flurnamen Weissweg bzw. Weissenweg. Die Anbauflächen liegen an der Südabdachung des Leithagebirges bzw. im südlichen Vorland des Ödenburger Gebirges und grenzen an die Bernsteinroute.