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MUTIGE BÜCHER
Zur Geschichte der Styria Buchverlage

Am Beginn der unternehmerischen Tätigkeit der heutigen Styria Media Group (www.styria.com) im Jahr 1869 stand die Entschlossenheit des Gründervereins, mit Zeitungen und Büchern zur politischen und gesellschaftlichen Emanzipation breiter Bevölkerungsschichten jenseits des Adels und des Besitz- und Bildungsbürgertums beizutragen.

Die ersten Publikationen, die im „Verlag der Vereinsbuchdruckerei“ in Graz erschienen, waren keine Bücher, sondern politische Flugschriften, die im „Kulturkampf“ der 1870er-Jahre Stellung bezogen und Meinung machten. Im Ansatz war der „Preßverein“ als Massenverein konzipiert, der mit seinen „Preßvereinsgaben“ – Büchern, die in einer Art Abonnement an die Mitglieder verschickt wurden – möglichst viele Menschen erreichen wollte. Im Jahr 1880 wurde der Verlag in „Verlagsbuchhandlung Styria“ umbenannt.

Briefkopf der Verlagsbuchhandlung Styria von 1886 (c) Historische Sammlung Styria

1888 erwarb die Styria die Verlagsrechte am Werk „Die Süddeutsche Küche“ von Katharina Prato (1818-1897) und sicherte sich damit einen Longseller, der zur Marke werden sollte. Anlässlich des 200. Geburtstages der Autorin im Februar 2018 brachten die Styria Buchverlage eine Neuausgabe der „Prato“ heraus, die mittlerweile die Gesamtauflage von einer Million Exemplaren überschritten hatte. Ein weiteres, am Ausgang des 19. Jahrhunderts vielbeachtetes Werk, das ab 1890 bei Styria erschien, war die monumentale „Allgemeine Weltgeschichte“ von Johann Baptist von Weiß (1820-1899), deren 22. und letzter Band im Jahr 1898 vollendet wurde. Nach dem Tod von Weiß, der seit 1854 als Professor für Geschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz tätig war, wurde das Werk von Richard Kralik von Meyrswalden (1852-1934) um weitere Bände ergänzt und bis in die damalige Gegenwart fortgeführt.

Verlagsleiter Karl Gschwend im Verlagskontor 1912 in Graz (c) Historische Sammlung Styria

Als 1891 der erste gedruckte Katalog des Styria-Buchverlags vorgelegt wurde, verzeichnete dieser 186 Monografien und Reihentitel auf 44 Seiten. Ab 1902 startete die sogenannte „Volksbücherei“: Nach dem Vorbild von Reclams Universal-Bibliothek erschien im Abstand von jeweils zwei Wochen eine broschierte Ausgabe aus dem Fundus „der besten Erzählungen, Romane etc. der Vergangenheit und der Gegenwart für das Volk“. Motto: „Beste Ausstattung bei unerreicht billigem Preise, gewählter spannender Inhalt, Volkstümlichkeit“.

Nr. 1 der Styria-Volksbücherei (c) Historische Sammlung Styria

Goldene Zeiten

1929 wurde mit Karl Maria Stepan (1894-1972) eine Managerpersönlichkeit modernen Typs zum Generaldirektor der Styria bestellt. Damit begann eine neue Ära. Stepan war nicht nur ein politischer Kopf, sondern hatte auch einen verlegerischen Instinkt und eine gute Hand für Personalentscheidungen. So machte er Otto Müller (1901-1956) zum Leiter des Verlages „Anton Pustet“ in Salzburg, den die Styria 1922 gekauft hatte und der bis dahin ein unbedeutender Regionalverlag gewesen war. Unter Müllers Leitung avancierte dieses Verlagshaus innerhalb kürzester Zeit zu einem erstrangigen Kulturinstitut im deutschsprachigen Raum – bis Müller 1937 im Streit aus der Styria ausschied und sich mit seinem eigenen Verlag, der bis heute besteht, in Salzburg selbständig machte.

Pater Heinrich Christmann OP, Otto Müller und Baronin Maria Trapp 1935 in Salzburg (c) Historische Sammlung Styria
Werbeprospekt der Rachmanowa-Trilogie 1930er-Jahre (c) Historische Sammlung Styria

Die Exilrussin Alja Rachmanowa (1898-1991) bescherte dem Pustet-Verlag mit ihrer autobiografischen Trilogie „Studenten, Liebe, Tscheka und Tod“ (1931), „Ehen im roten Sturm“ (1932) und „Milchfrau in Ottakring“ (1933) eine Serie von Bestsellern. Auch Egon Caesar Conte Corti trug mit seiner Biografie „Elisabeth. Die seltsame Frau“, die noch bis weit in die Zweite Republik hinein zahlreiche Neuauflagen erlebte, zur damaligen Erfolgswelle bei. Mit Jahresende 1963 wurde der Pustet Verlag an den „Salzburger Preßverein“ verkauft.

NS-Zeit und Wiederaufbau

Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurden die Unternehmen der Styria „gleichgeschaltet“ und der Name Styria aus allen Unternehmensbezeichnungen entfernt. Die Leitung der Styria-Buchverlage, die in „Steirische Verlagsanstalt“ umbenannt wurden, wurde von NS-Parteimitgliedern übernommen. Sie entfernten alle Catholica aus dem Verlagsprogramm und ersetzten sie durch linientreue Werke, belanglose Belletristik und Militaria, die sich damals größter Beliebtheit erfreuten. Zum Bestseller der „Steirischen Verlagsanstalt“ avancierte das 1941 erstmals erschienene Buch „Mölders und seine Männer“ von Fritz von Forell, von dem über 600.000 Exemplare verkauft wurden.

Prospekt der Schriftenreihe Das Joanneum 1940 (c) Historische Sammlung Styria

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes und der Wiederherstellung der ursprünglichen Eigentumsverhältnisse erfuhren die drei Buchverlage der Styria („Styria Steirische Verlagsanstalt“, „Anton Pustet“ und „Ulrich Moser“) einen kräftigen Aufschwung. Der Nachholbedarf und das Bedürfnis nach guten Büchern waren enorm. In dieser Phase hatten insbesondere theologische und religiöse Werke Konjunktur. In den vier Jahren von Kriegsende 1945 bis April 1949 brachten die Styria-Verlage insgesamt 118 Titel mit einer Gesamtauflage von knapp einer Million Exemplaren auf den Markt.

Die damals zur Styria gehörende Buchhandlung Moser in Graz in den 1950er-Jahren (c) Historische Sammlung Styria

Auf dem Weg in die Gegenwart

In den Jahren um die Jahrtausendwende setzte eine Diversifizierung der Buchverlagstätigkeit ein. So wurde 1999 der Klagenfurter „Universitätsverlag Carinthia“ übernommen und sowie eine Beteiligung am „Verlag des österreichischen Kneippbundes“ erworben. Ein weiterer Meilenstein war mit Jahresbeginn 2003 die Akquisition des Wiener Traditionsverlages „Pichler“. Pichler wurde in der Folge zu einer erfolgreichen Kulinarikmarke entwickelt, unter der bis heute u. a. die beliebten Kochbücher der oberösterreichischen Autorin Ingrid Pernkopf (1959-2016) erscheinen.

Im Jahr 2007 konnten der Wiener „Molden Verlag“ von der Styria übernommen und die Anteile am „Kneipp Verlag“ auf 100 % aufgestockt werden. Damit hatte die Verlagsgruppe jene Zusammensetzung im Sachbuch- und Ratgebersegment erreicht, die sie auch heute aufweist.

Der Molden Verlag damals …

Anlässlich seines 40. Geburtstags im April 1964 fasste der damals wohl wichtigste und mächtigste Zeitungsherausgeber Österreichs Fritz Molden (1924-2014) den Entschluss, sich als Buchverleger noch einmal völlig neu zu erfinden. Die sich in den folgenden Jahren entwickelnde Erfolgsstory, die den Molden Verlag in die Top 5 der größten deutschsprachigen Publikumsverlage katapultierte, hat Molden später ausführlich Revue passieren lassen. Das Buch „Der Konkurs. Aufstieg und Fall eines Verlegers“ erschien 1984, nachdem Molden ebenso spektakulär gescheitert wie aufgestiegen war. Dieses Buch mit seinen Reflexionen ist ein Solitär in der deutschsprachigen Verlagsgeschichte.

Cover von Hildegard Knef "Der geschenkte Gaul" (c) Historische Sammlung Styria
Fritz Molden während der Frankfurter Buchmesse 1978 (c) picturedesk.com: dpa Porträtdienst

Seinen größten Erfolg als Verleger feierte Molden mit den Memoiren der Schauspielerin Hildegard Knef (1925-2002). „Der geschenkte Gaul“ erschien im Herbst 1970, stand ein halbes Jahr auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste und erreichte eine Gesamtauflage von über einer Million Exemplaren. Damit war Molden im Olymp der Buchverleger angekommen. Mit seinem Gespür für gute Geschichten kaufte er fremdsprachige Lizenzen ein. Das war kostspielig, aber es gelang Molden immer wieder, diese teuer eingekauften Projekte für den deutschen Buchmarkt zu vergolden. Die Briefe, die die Stalin-Tochter Swetlana Allilujewa an einen Freund schrieb (erschienen 1967), wurden als Molden-Buch ebenso ein Riesen-Erfolg wie die deutsche Ausgabe von Maria Puzos „Der Pate“ (erschienen 1969). Weitere Molden-Autoren von Weltrang waren Leonard Bernstein und Sophia Loren.

… und heute

Nach dem Konkurs 1982 versuchte Fritz Molden mit „Ibera & Molden“ einige Jahre später nochmals ein Revival, aber die früheren Erfolge stellten sich nicht mehr ein. Heute knüpft der Molden Verlag als Imprint der Verlagsgruppe Styria an die programmatischen Schwerpunkte des Ursprungsverlags an. Herzstücke der Verlagstätigkeit sind die Frauenbiografienreihe sowie Familienbiografien etwa zu den Rothschilds und Wittgensteins sowie historische Sachbücher zur Zeitgeschichte. Zu den Stammautoren des Verlags zählen u. a. Roman Sandgruber, Mona Horncastle, Michaela Lindinger, Oliver Rathkolb und Helga Kromp-Kolb.

Kneipp Verlag Wien

Die Geschichte des Kneipp Verlages beginnt mit seinem Namensgeber. Sebastian Kneipp (1821-1897) entwickelte als „Wasserdoktor“ sein bis heute unglaublich modernes, ganzheitliches Gesundheitskonzept. Kneipp fasste seine Erkenntnisse und Erfahrungen auch selbst in Gesundheitsratgebern zusammen, womit er gleichsam zum ersten Autor des Kneipp Verlages wurde.

Nimm deine Gesundheit selbst in die Hand! So lautet die Botschaft der Autor:innen des heutigen Kneipp Verlags, die mit ihren Büchern an die fünf Säulen der Kneipp-Philosophie anschließen: Wasser, Bewegung, Ernährung, Pflanzenheilkunde und Balance. Sie sind Ärzt:innen mit komplementärmedizinischer Ausbildung, Ernährungsberater:innen und Kräuterexpert:innen, Psycholog:innen und Coaches. Sie begleiten uns, wenn wir mit einfachen Mitteln und ohne teure, aufwändige Therapien unseren Schlaf verbessern, unser Wohlfühlgewicht erreichen, den Alterungsprozess verlangsamen oder wieder zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit zurückfinden wollen.

(c) Betti Sauter

Heute für morgen

Mit unseren vier Imprints – Styria, Molden, Kneipp und Pichler – stehen wir auf den hohen Schultern vieler Menschen, die als Autorinnen und Autoren und Verlagsmitarbeitende seit vielen Jahrzehnten Bücher zum Nutzen, zur Orientierung und zur Unterhaltung von Lesenden geschrieben und herausgebracht haben. Auf dieses Erbe sind wir stolz. Wir leben und lieben den verlegerischen Eros, auch heute jene Themen aufzuspüren, die uns morgen beschäftigen werden.

(Matthias Opis)

 

Eine detailliertere Darstellung der Verlagsgeschichte enthält das Buch „Styria. Medien. Menschen“, Styria: Wien – Graz 2019